Western-Mail
Ausgabe August 2003

Ein
Mass-acoustisches Feuerwerk

Heutzutage sind ja schnell Superlative herangezogen, wenn mal etwas besonderes zu erleben ist. So werden Nachwuchssänger schnell zu Superstars und nach handwerklichem Können oder gar Talent wird weniger gefragt. Doch was die vielen Fans während der 10-tägigen Tournee der Thompson Brothers durch Deutschland erleben durften, das war wirklich super, denn es war musikalisch herausragend und gesanglich perfekt.
Die beiden Brüder Andy und Matt Thompson stammen ursprünglich aus dem US Bundesstatt Massachusetts an der Nordostküste der Vereinigten Staaten. Schon früh in der Schulzeit begannen sie mit einem Nachbarsjungen als Band mit Coversongs auf Schulfeten, Hochzeiten und Stadtfesten erste Erfolge zu feiern.

Andy Thompson berichtet noch heute mit einem Schmunzeln von der Frage seines Highschool Lehrers nach einem Berufswunsch, die Andy mit Musiker beantwortete. Daraufhin wollte der Pädagoge den jungen Mann vor permanenter Armut und Hunger warnen, doch der junge Andy Thompson verdiente schon damals nebenher mit ca. 8-10 Auftritten im Monat im Durchschnitt mehr Geld als seine Lehrkraft. Musik war und ist das Leben der beiden Brüder Thompson, die seit vielen Jahren Nashville als ihr Zuhause nennen. Dort haben sie in der Nähe der Universität und nicht weit von der Music Row ein kleines Haus, das gefüllt ist mit Instrumenten, Equipment und Studiotechnik. Keine Frage, hier sind Liebhaber heimisch. So besitzt Matt, der während der Zeit als Thompson Brothers Band ausschließlich Schlagzeug spielte, ein Drumkit aus nahezu jedem Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts. Andy dagegen ist stolz auf seine Gitarrensammlung, die u.a. sogar eine elektrische Gitarre beeinhaltet, die schon Keith Richard von den Rolling Stones besessen hatte.
Hier im Heimstudio entstand auch die aktuelle CD "A Massacoustic Thing", die genau das auf Tonträger gepresst widergibt, was den Zuhörer beim Konzert der beiden Brüder erwartet. Unverfälschte akustische Musik mit einer besonderen Note. Erstmals kamen die deutschen Fans zur Internationalen Country Music Messe in Berlin im Februar diesen Jahres mit den "neuen" Thompson Brothers in Kontakt - und es war Liebe auf den ersten Ton. Während ihrer vielumjubelten Auftritte im Rahmen der CMM 2003 wurden die Bande geknüpft, die nun auf der ersten längeren Tournee als Duo vertieft werden konnten.
Für 9 Konzerte in 11 Tagen waren die Thompson Brothers Ende Juni / Anfang Juli in Deutschland und die Konzertreise wurde zum Triumphzug der Live Musik.
Schon beim Radiointerview mit Larry Schuba, selbst alles andere als ein Unbedeutender der Musikszene, war die sympathische und doch jederzeit professionelle Haltung der Thompsons allgegenwärtig. Beim gemütlichen Plausch im RBB Funkhaus in Berlin wurden Andy, Matt und Larry schnell warm miteinander und spontan wurde für den einzig freien Tag der Tour eine gemeinsame Session während eines Larry Schuba & Western Union Auftritts im American Western Saloon vereinbart. Schon am darauffolgenden Tag durften sich die Fans von Larry Schuba & Western Union von den außergewöhnlichen musikalischen Fähigkeiten der Brüder Thompson überzeugen. Eine rundum gelungene Einlage hieß es anerkennend im Auditorium. Nur einen Tag danach folgte im American Western Saloon der erste eigene Auftritt der Thompson Brothers. Der sehr gut gefüllte Saloon im Norden der Hauptstadt war wie geschaffen für den Start der Tour. Hier im American Western Saloon haben die beiden Thompson Brüder so etwas wie eine Heimat fern von Zuhause gefunden. So feierten die Besucher ihre Lieblinge und alle Debütanten unter den Besuchern staunten riesengroße Bauklötze, was zwei Musiker zu leisten im Stande sind. "Unfassbar!", "Wie machen die das?" und "So was hab ich ja noch nie gesehen" gehörten wie überall, wo die akustischen Thompson Brothers auftreten, zu den meistgehörten Äußerungen. Zur Erklärung für die Leser, die dieses Erlebnis eines Thompson Brothers Auftritts bislang unentschuldigt versäumt haben, hier kurz eine Auflösung. Auf der Bühne sind zwei Barhocker. Davor stehen zwei Gesangsmikrofone. Vor einem der Hocker befindet sich ein Gestell mit zwei Bongos und einem kleinen Becken. Zu Füßen dieser Percussioneinheit liegt ein Kickdrum sowie ein Tambourin mit Fußpedal. Dies alles bedient Matt Thompson nebenher, während er gleichzeitig einhändig Bass zupft und ab und an auch Mundharmonika spielt. Andy dagegen hat den anscheinend leichten Job, denn er spielt neben der Tätigkeit als Hauptsänger "nur" noch Gitarre. Aber was für eine! Selbst gestandene Musiker, die auf der gesamten Tour im Publikum waren, konnten ihre Bewunderung nicht verbergen. Larry Schuba und seine Band habe ich bereits erwähnt, dazu kamen u.a. in den folgenden Tagen Daniel T. Coates, James Dee, Russell, Pullman Gitty mit ihrer kompletten neuen Band, der Roadhouse Gang. Doch auch Musiker, die nicht aus der Country Music Szene stammen, waren im Bann der beiden sympathischen Ausnahmekönner Andy & Matt. Während ihres Konzertes auf dem Rieger Auto Tuning Event am Flughafen in Eggenfelden bat die eigentliche Hauptband des Abends, die Lokalmatadoren Pete`s Party Gang, um eine Session, die dann auch prompt die anwesenden Musiker und das gesamte Publikum begeisterte.
Wo Musiker aller Stilrichtungen ins Schwärmen geraten, können nur Spitzenkräfte am Werk sein. Und das sind die beiden Thompson Brüder. Dabei spulen sie keineswegs ein einstudiertes Programm ab, sondern gehen individuell auf das Publikum und die Umstände des Konzertes ein. So gab es auf Wunsch im Saloon der Westernstadt Pullman City im bayerischen Wald eine halbstündige Elvis Einlage, bei der vielen Fans eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte. Am darauffolgenden Abend waren die Countryfans in der Mehrzahl im Publikum und so kamen Garth Brooks - und Merle Haggard Songs zu Gehör. Dies alles in einer musikalischen Harmonie und Perfektion, das man hingerissen sein musste. Keines der 9 Konzerte war gleich, jeden Abend gab es neue Songs im Programm. Die Vielschichtigkeit des Spektrums, erklärt auch durch jahrelange Schule als Begleitmusiker in unterschiedlichsten Formationen in Boston bzw. Nashville, reichte von den Beatles über Steve Earle, den erwähnten Elvis, nahezu perfekte Simon & Garfunkel Adaptionen bis hin zu den eigenen, mittlerweile fast überall beliebten Stücken. Gerade die Eigenkompositionen von der aktuellen CD wie "Underachiever", "Soundtrack Of The Summer" oder das an die Beatles erinnernde "Giving All My Loving Away" gehören zu den Höhepunkten der akustischen Spitzenshow. Dazu gesellen sich bekannte Hits vergangener Jahre wie z.B. "Caroline", "Draggin' Those Chains", "Broken For Good" oder das mittlerweile auch von vielen nationalen Bands gecoverte "Don't Mind If I Do". Doch ohne den Riesenhit "Back On The Farm Again" darf keine Show der Thompson Brothers zu Ende gehen. Und jedes Mal, wenn die restlos begeisterten Fans diesen Titel mit den beiden Ausnahmemusikern feierten, freute man sich bereits auf die nächste Station der Tour und welche musikalischen Leckerbissen die beiden Brüder noch im Ärmel hatten. Das Abschlusskonzert der Kurztour fand im American Western Saloon statt und wurde zu einer großen Party. Ausgelassene Stimmung vor und auf der Bühne. Als Gäste begrüßten die Thompsons Steffi, die Fiddlerin der Band Motion Blur, den Manager des American Western Saloon Frank Lange, der für einen C CR Song auf die Bühne kam und am Ende sogar Discjockey Andy und den Herausgeber der Western Mail Kai Ulatowski zu einer sehr guten Version des "perfekten Country & Western Songs" - David Allan Coe's "You Never Even Call Me By My Name".
Eine 10 Tage währende Party, die unbedingt und schnellstmöglich Fortsetzung finden sollte. Also, Veranstalter, Country Clubs, Countryfans und vor allem Musikliebhaber - sorgt dafür, dass diese beiden "Super"-Könner bald wieder zu uns nach Deutschland kommen.

Pascal Meinert

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